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Friedrich II. (1194-1250)
Das Staunen der Welt
Das Kind, das am zweiten Weihnachtstag des Jahres 1194 in dem kleinen Städtchen Jesi in der Mark Ancona geboren wurde, sollte zuerst Konstantin genannt werden. Schon diese Namenswahl, die an einen großen Namen römischer Geschichte anknüpfte (Kaiser Konstantin I., reg. 306337), macht deutlich, welcher Art die Erwartungen waren, die sich mit diesem Sohn Kaiser Heinrichs VI. und seiner Gemahlin Konstanze verbanden. Nicht weniger beziehungsreich sind die beiden Namen, die er schließlich in der Taufe erhielt: Friedrich, nach seinem Großvater väterlicherseits, und Roger, nach dem Vater der Kaiserin Konstanze. Friedrich I., genannt Barbarossa, hatte das Heilige Römische Reich zu beispielloser Machtfülle geführt und dafür gesorgt, daß das Geschlecht der Staufer zu einem der mächtigsten Häuser des deutschen Mittelalters wurde. Unter Roger II. aus der normannischen Dynastie de Hauteville war das Königreich Sizilien zu einem blühenden Land geworden, das sich nicht nur zu einem wichtigen politischen und wirtschaftlichen Schwerpunkt im Süden Europas entwickelt hatte, sondern gleichzeitig eine Brücke zur hochstehenden Kultur des Orients war.
Friedrich II. von Hohenstaufen gehört zu den faszinierendsten Gestalten der Geschichte. Die Zeit, in der er lebte, wurde lange nur unter dem Blickwinkel des "dunklen Mittelalters" gesehen. Heute jedoch besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, daß das 12. und 13. Jahrhundert eine Epoche tiefgreifenden Wandels war, ohne die Renaissance und Reformation nicht denkbar wären. Der auch arabisch sprechende Staufer steht am Ende einer langen Phase vielfältiger Berührungen und Beeinflussungen zwischen Abend- und Morgenland, vermittelt über das südliche Italien und Sizilien.
Die politisch herausragende Stellung Friedrichs II. und seine Bedeutung für die Kunstgeschichte wird jedoch erst im Rückblick auf die historische Entwicklung Siziliens im Spannungsfeld zwischen Byzanz, West- und Mitteleuropa und der islamischen Welt verständlich.
Das Staunen der Welt: Das Morgenland und Friedrich II. (1194–1250) / [Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung im Museum für Islamische Kunst,Staatl. Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 26.12.1994–12.3.1995, verlängert bis 3.9.1995]. – Berlin : Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 1995. – (= Bilderheft d. Staatl. Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ; 77/78), ISBN 978-3-7861-1856-5, S. 9.
Vorwort 1995
Nicht veröffentlichter Entwurf für: Das Staunen der Welt: Das Morgenland und Friedrich II. (1194–1250) / [Katalog zur gleichnamigen Sonderausstellung im Museum für Islamische Kunst,Staatl. Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 26.12.1994–12.3.1995, verlängert bis 3.9.1995]. – Berlin : Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, 1995. – (= Bilderheft d. Staatl. Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ; 77/78), ISBN 978-3-7861-1856-5.
Dieses Bilderheft wurde für die gleichnamige Sonderausstellung anläßlich des 800. Geburtstages Friedrichs II. erarbeitet. Darüber hinaus sind die wichtigsten Objekte fester Bestandteil der ständigen Ausstellung des Museums für Islamische Kunst,[1] so daß der Katalog auch anschließend dem an der Thematik interessierten Besucher als Hilfsmittel dienen kann.
Im Mittelpunkt steht die Erinnerung an eine Epoche mittelalterlicher Geschichte, die im wesentlichen das 11.-13. Jahrhundert umfaßt. In dieser Zeit berührten sich Orient und Okzident im Königreich Sizilien nicht nur, sondern es entstand in gegenseitiger Befruchtung eine Region kulturellen und künstlerischen Austausches und Zusammenlebens. Von europäischer Seite ist Friedrich II. von Hohenstaufen wohl die herausragende Figur dieser Zeitspanne. In seiner Person kamen sich Morgen- und Abendland am nächsten, wurden die das Mittelmeer überspannenden Bande noch einmal deutlich sichtbar, bevor am Ausgang des 13. Jahrhunderts diese Epoche endete. Mit den Möglichkeiten eines Islamischen Museums werden Streiflichter aus der Kunst einer Zeit eingefangen, die oft zu unrecht als „dunkles Mittelalter“ bezeichnet wird. Der Betrachter kann staunen über die Welt von Beziehungen, die sich dem aufmerksamen Auge erschließt, sich einfangen lassen von der Schönheit der ausgestellten Stücke aus beiden Kulturkreisen. Getreu einer Maxime Friedrichs, die Dinge so darzustellen, wie sie sind,[2] sollen Hinweise zu den charakteristischen Stilmerkmalen der einzelnen Stücke, historische Erläuterungen und der direkte Vergleich mit ähnlichen Motiven es dem Betrachter ermöglichen, die Parallelen und Zusammenhänge mit eigenen Augen zu entdecken.
Auf eine wissenschaftliche Umschrift wurde zugunsten besserer Lesbarkeit verzichtet. Die Schreibung arabischer Eigennamen lehnt sich im wesentlichen an die im englischen Sprachraum gebräuchliche Transkription an, sofern keine übliche deutsche Form vorhanden ist. Bei Zitaten wurde die Schreibweise der Quelle übernommen, so daß leichte Abweichungen möglich sind (z.B. al-Kamil und el-Kamil).
Die Objekte wurden bearbeitet von Volkmar Enderlein (Elfenbein, Holz), Gisela Helmecke (Keramik, Textilien), Jens Kröger (Bergkristall, Glas) und Thomas Tunsch (Dokumentation, Architektur, Metall, Papier, Stein). Für den Katalog schrieben Gisela Helmecke, Michael Meinecke und Thomas Tunsch einführende Artikel.
Ohne die unermüdliche Tätigkeit der Restauratorinnen Uta Tyroller und Ute Schönbach sowie die vielseitige Unterstützung durch die Depotverwalterin Yelka Kant wären Ausstellung und Katalog nicht möglich geworden. Christel Mann (Archiv) unterstützte das Vorhaben von Anfang an mit Rat und Tat, Horst Bohnsack (Studiensammlung) stellte die Objekte aus den Beständen der Studiensammlung zusammen. Zu danken ist außerdem den Kolleginnen und Kollegen des Ausstellungsbaus, der Fotowerkstatt, der Abteilung Verlag und Werbung der Staatlichen Museen zu Berlin sowie Regina Hickmann und Christiane Henckel.
Thomas Tunsch
Anmerkungen
[1] z.Zt. auf der Museumsinsel (Pergamonmuseum) und in Dahlem
[2] „Unsere Absicht ist aber in diesem Buche über die Falknerei, das, was da ist, auch so zu zeigen, wie es ist, und als zuverlässige Kunst darzustellen; denn bisher fehlte es dabei sowohl an der Wissenschaft wie an der Kunst.“ (Friedrich II. im Falkenbuch; zit. nach Heinisch 1978, S. 262)
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